Das Handwerk. Berufe mit Zukunft
Die in diesem Post verwendeten Bezeichnungen erfolgen geschlechtsunabhängig. Sie werden ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwendet.
Den Fach- und Arbeitskräftemangel stelle ich als Personalvermittler täglich fest. Er betrifft viele Bereiche der Industrie. Zerspanungsmechaniker zu finden, Industriemechaniker oder Mechantroniker ist eine sportliche Aufgabe, die immer schwerer zu lösen ist. Viele meiner Industriekunden stufen diesen Umstand bereits als sehr problematisch ein.
Als Dozent in der Handwerkskammer für München und Oberbayern unterrichte ich nebenberuflich Handwerker vieler Branchen bei ihrer Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Fach Rechnungswesen. Dabei komme ich mit der Handwerkerschaft viel ins Gespräch. Der Fachkräftemangel im Handwerk nimmt auch hier ernste Ausmaße ein. Das ist ein Umstand, den wohl fast jeder kennt, der eine handwerkliche Leistung benötigt.
Schaut man außerhalb der Industrie und des Handwerks, so stellt man fest, dass überall die Fachkräfte nicht in dem Maß vorhanden sind, wie es in einer Volkswirtschaft wünschenswert ist. Es fehlt hier Personal ist vielen Bereichen. Sei es die Medizinische Fachangestellte, MTA`s, Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger u.v.m.
Der Fach- und Arbeitskräftemangel ist hinreichend bekannt und vielfach diskutiert. Es gibt eine Menge Gründe die zu dieser Situation geführt haben.
Einer davon ist, dass viele junge Menschen ein Studium der Fachausbildung vorziehen. Die Zahl der Abiturienten nimmt immer mehr zu.
Wäre es für junge Leute nicht auch sinnvoll, sich über Berufe Gedanken zu machen, zu denen kein Studium notwendig ist?
Ein Studium ermöglicht nicht unbedingt bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Da muss schon auch ein Studium gewählt werden, mit dem man im Anschluss einen Arbeitsplatz findet.
Mit dem Studiengang der Betriebswirtschaft – übrigens eines der meistgewählten Studiengänge – ist das beispielsweise schon einmal nicht so ganz leicht. Hat man hier nicht mindestens ein Auslandssemester absolviert und spricht ein verhandlungssicheres Englisch, so steht man als Studienabgänger weit außerhalb des Arbeitsmarktes.
Auch ist es mit dem Studium der Betriebswirtschaft so, dass eine Zusatzausbildung fast schon zwingend wird, um in der Arbeitswelt Fuß fassen zu können. Denn das Studium verschafft einem eine breit angelegte Ausbildung, jedoch kein spezielles Fachwissen. Da muss man sich schon im Anschluss noch an Ausbildungen wie zum „Steuerberater“, „Wirtschaftsprüfer“, „Controller“ etc. bemühen.
Bis man hier einmal ins Verdienen kommt, hat ein Mensch mit einer Fachausbildung längst gut verdient.
Und warum nicht im Handwerk, wo jeder sehen kann, dass diesen Berufen in unserer heutigen Zeit Tür und Tor offen stehen.
Gehen wir einmal die Vorurteile durch, die es im Handwerk gibt und die ich vielfach mit Handwerkern diskutiert hatte:
Bekannter Maßen leidet die Handwerksbranche seit längerer Zeit unter einem ausgeprägten Fachkräftemangel. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, könnten vor allem junge Leute angesprochen und vom Handwerk überzeugt werden. Das Handwerk hat wieder „Goldenen Boden“ was unschwer im Alltag zu spüren ist.
- Arbeit im Handwerk ist anstrengend
Das ist nur bedingt richtig. Richtig ist, dass man beispielweise als Spengler oder Zimmerer auch in den kalten Monaten auf`s Dach muss. Jedoch übernimmt immer mehr Technik den Handwerkern körperlich belastbare Arbeit ab.
Man arbeitet weniger mit den Händen und bedient stattdessen moderne Gerätschaften. Zudem hat sich die Gesundheitsvorsorge verbessert. Gegen Rückenleiden gibt es beispielsweise vorbeugende Maßnahmen. Da das Bewusstsein für gesundheitliche Gefahren gestiegen ist, werden diese Gefahren konsequent angegangen.
- Der Handwerksberuf ist nur für niedrige Schulabschlüsse geeignet
Richtig ist, dass mit dem Hauptschulabschluss ein Handwerksberuf erlernt werden kann. Jedoch hat sich das Handwerk in der Moderne stark verändert und ist unglaublich komplex geworden so dass das Handwerk für jeden Bildungsabschluss geeignet ist. Als Elektrotechnikermeister/in plant und installiert man unter anderem Solaranlagen und Smart Homes. Als Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik baut man Wärmepumpen und sorgt für effiziente Energienutzung.
Die handwerkliche Ausbildung vermittelt heute ein umfangreiches komplexes technisches Wissen.
- Handwerker werden schlecht bezahlt
Das gilt inzwischen nicht mehr. Der Bedarf an handwerklichen Leistungen übersteigt weit das Angebot an Handwerkern. Ein Handwerker mit Meisterausbildung hat das Potential, mit eigenem Betrieb sehr gut zu verdienen. Die starke Nachfrage nach handwerklicher Leistung übersteigt das Angebot. Der Preis wird steigen.
- Das Handwerk ist für Frauen ungeeignet
Da gibt es viele Vorurteile. Ein paar mögen hier vielleicht auf dem Bau zutreffend sein, dass es manchen Frauen in den Wintermonaten draußen zum Arbeiten zu kalt ist. Aber hier hat sich auch sehr viel getan. Frauen können im Handwerk mithalten und wollen das zunehmend auch. Rollenklischees gehören also längst der Vergangenheit an.
- Handwerk hat keine Perspektive
Das Handwerk ist eine volkswirtschaftlich extrem wichtige Branche und ist den Herausforderungen der modernen Welt durch die immer weiter entwickelte Fachkompetenz der verschiedenen Berufsfelder gewachsen. Ohne Handwerk geht es nie. Von erneuerbaren Energien bis zur Mobilitätswende, Klimaziele lassen sich nur mit dem Handwerk erreichen
- Die Arbeit im Handwerk ist eintönig
Handwerk ist auch Kopfarbeit. Planen, berechnen, Probleme lösen – im Handwerk ist auch ganz viel Köpfchen gefragt.
Nehmen wir doch einmal den Beruf des Kaminkehrers. Für gewöhnlich kennt man den Schornsteinfeger bloß als denjenigen, der in Schornsteine kriecht und dort völlig verschmutzt wieder heraus kommt.
In der Ausbildung gehört allerdings mehr dazu. Es geht hierbei um das Warten von zahlreichen Anlagen rund ums Feuern, Heizen und Lüften. Angefangen beim Schornstein bis hin zu Lüftungsanlagen, Feuerungsanlagen wie Gas- und Ölheizungen, aber auch Feuerstätten wie Kamine. Vom Prüfen und Kontrollieren über Kehren und Reinigen bis hin zur Kundenberatung.
Man sieht allein hier bei diesem Berufsbild wie Facettenreich in unserer Moderne ein handwerklicher Beruf ist.
Ob praktisch versiert oder theoretisch stark, ob technisch begabt, künstlerisch veranlagt oder alles zusammen: Als Deutschlands Ausbilder Nummer 1 bietet das Handwerk mit seinen über 130 Ausbildungsberufen für jedes Talent und jeden Schulabschluss die passende Perspektive. Und entwickelt Profis in Berufen, die tatsächlich gebraucht werden.
Geschick, Logik, Pragmatismus – das sind Fähigkeiten, die die meisten mit dem Handwerk verbinden. Doch auch kreative und gestalterische Fähigkeiten spielen fast immer eine Rolle. Nicht nur im Umgang mit Stoffen, Materialien, Formen oder Farben. Sondern auch bei der Suche nach originellen Ideen und flexiblen Lösungen.
- Im Handwerk geht es noch immer zu wie vor 30 Jahren
Nicht nur wegen seines Beitrags zu Klimaschutz und Energiewende. Handwerk ist ein Innovationsmotor. Viele Erfindungen und Patente haben ihren Ursprung im Handwerk und werden in enger Kooperation mit Wissenschaft und Forschung umgesetzt.
Welche Vorteile bietet das Handwerk ungeachtet seiner komplexen Anforderungen, denn noch?
Da fallen mir ganz gewichtige Gründe ein:
Auslandsaufenthalte
Unsere duale Berufsausbildung ist international hoch angesehen. Manche Betriebe bieten Praktika im Ausland oder Austauschprogramme bereits während der Ausbildung an. Und als Gesell/-in oder Meister/-in gibt es später gute Chancen auf Jobs in der ganzen Welt. Denn die ganze Welt braucht Handwerker und Handwerkerinnen.
Und wer einmal im Ausland arbeiten möchte, bekommt durch seine handwerkliche Qualifikation auch viel leichter im Ausland einen Zugang zum dortigen Arbeitsmarkt.
In der Heimat bleiben
Wer lieber in seiner Heimat bleiben möchte findet in der heutigen Zeit so viele Arbeitsplatzangebote in der eigenen Region, dass ein Umzug aus beruflichen Gründen nicht mehr zwingend ist. Im Gegensatz zu anderen Branchen gibt es das Handwerk in allen Regionen. Deswegen haben Auszubildende die Wahl, ob sie in der Nähe des Elternhauses bleiben wollen – oder raus in die Welt. Die hunderttausenden Handwerksbetriebe in Deutschland bieten Ausbildungs- und Arbeitsplätze auf dem Land und in der Stadt, ganz in der Nähe oder weit weg.
Studieren
Und wenn es dann doch unbedingt ein Studium sein soll.
Mit einer erfolgreich abgeschlossenen Meisterprüfung erwirbt jeder Meister/in den allgemeinen Hochschulzugang und kann damit an jeder Universität oder Hochschule für angewandte Wissenschaften (Fachhochschule) in Bayern studieren. So kann die berufliche Qualifikation noch weiter ausgebaut werden.
Unternehmertum im Handwerk
Einen Betrieb zu gründen und selbstständig zu sein, gehört zur DNA des Handwerks. Und auch die Übernahme bietet viele Chancen: Im Handwerk gibt es eine Million Betriebe mit durchschnittlich sieben Mitarbeiter. Rund 200.000 (so die Handwerkskammer) davon suchen in den nächsten zehn Jahren Führungsnachwuchs. Beste Aussichten für junge Talente, die schnell Verantwortung übernehmen wollen.
Hervorragende Perspektiven
Die Auftragsbücher der Handwerksunternehmen sind voll, denn für Handwerker gibt es immer was zu tun.
Das verschafft jungen Handwerkern beste Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Eine berufliche Ausbildung und die damit verbundenen Qualifikationen schützen langfristig auch vor Arbeitslosigkeit.
Beste Voraussetzungen dafür schafft die einzigartige, international hoch angesehene duale Berufsausbildung mit ihrer Kombination aus Theorie und Praxis. Und wer möchte, kann wie gesagt, mit spezifischen Fort- und Weiterbildungen, der Meisterprüfung oder einem anschließenden Studium ganz eigene Karrierewege gestalten.
Ausgebildete Fachkräfte können durch berufliche Fortbildung ihr Gehalt deutlich erhöhen und sind oft gleichauf mit Bachelorabsolventen. Dazukommt, dass Fachkräfte viel früher ins Berufsleben einsteigen und schon ein paar Gehaltsstufen nach oben klettern, während andere noch studieren.
So haben Untersuchungen gezeigt, dass Meister in ihrem Berufsleben im Schnitt häufig genau so viel verdienen wie Fachhochschulabsolventen.
Schlusswort
Abschließend ist von meiner Seite aus zu sagen, dass es sehr viel Sinn macht, sich als Schulabgänger damit auseinander zu setzen, ob eine duale Ausbildung nicht doch eine spannende Alternative zum Studium ist.
Michael Schmirl