AÜG/Werkvertrag
Durch die auffallend hohen Infektionszahlen bei Mitarbeitern in Schlachthöfen ist im Mai 2020 bekannt geworden, dass im Rahmen der Beschäftigung von Arbeitnehmern teilweise nicht akzeptierbare Zustände in der Fleischindustrie vorherrschen.
Offensichtlich haben manche Firmen überwiegend rumänische und bulgarische Arbeitnehmer mit Werkverträgen in Schlachthöfen eingesetzt und diese Mitarbeiter in engen Wohnungen untergebracht. In Zeiten von Corona wurden Hygieneregeln weitest nicht beachtet.
Die Bundesregierung möchte hier gegensteuern und das Problem dahingehend ändern, dass Werkverträge, und im Zuge dessen auch Arbeitnehmerüberlassungsverträge in der Fleischbranche, verboten werden.
Wieder einmal wird der Ruf der Zeitarbeit beschädigt, indem sie in dieser Problematik verantwortlich gemacht wird. Begriffe wie Zeitarbeit und Werkvertrag werden vielfach durcheinander gebracht.
Der Unterschied von Zeitarbeit und Werkvertrag ist in der öffentlichen Debatte immer noch nicht bei allen präsent. Häufig wird im Zusammenhang mit Werkverträgen der Begriff Zeitarbeit genannt.
Arbeiten wir hier an dieser Stelle erst einmal den Unterschied von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassungsvertrag heraus.
Beim Vergleich von Arbeitnehmerüberlassung, also Zeitarbeit, und dem Einsatz von Werkverträgen sind wesentliche Unterschiede auszumachen: Ein reines Werkunternehmen überlässt seine Mitarbeiter nicht, sondern arbeitet quasi als Betrieb in einer anderen Firma.
Arbeitnehmerüberlassung (kurz: ANÜ; auch: Leiharbeit) liegt vor, wenn Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) von einem Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) gegen Entgelt für begrenzte Zeit überlassen werden. Rechte und Pflichten des Arbeitgebers übernimmt der Verleiher, also das Zeitarbeitsunternehmen. Die Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland sieht allgemeinverbindliche Mindestlöhne vor, hat soziale Tarifstandards und klare gesetzliche Arbeitsschutzregeln.
Personaleinsatzplanung
Das Werkunternehmen ist komplett für die Personaleinsatzplanung verantwortlich und ist auch für die direkte Unterweisung der Arbeitnehmer in die Tätigkeit vor Ort verantwortlich. Einem Zeitarbeitnehmer hingegen ist das Kundenunternehmen weisungsbefugt. Der Zeitarbeitnehmer nimmt seine Anordnungen unmittelbar von einem Vertreter des Kunden der Zeitarbeitsfirma entgegen.
Haftung
Diese Konstrukte sind auch wichtig bei Haftungsfragen. Während ein Werkunternehmer nicht nur die Verantwortung für das Ergebnis der Werkarbeit, sondern auch die Haftung bei nicht dem Auftrag entsprechender Erfüllung übernimmt, geht die Verantwortung bei, zum Beispiel einer Beschädigung durch den Zeitarbeitnehmer, auf das Kundenunternehmen über. Werkverträge sind für Zeitarbeitsunternehmen in der Regel völlig uninteressant und werden kaum genutzt. Um Missbrauch vorzubeugen haben Mitgliedsunternehmen des iGZ zudem eine Selbstverpflichtung verabschiedet, beim Einsatz von Werkverträgen nicht unter dem Niveau des Zeitarbeits-Mindestlohns zu zahlen.
Klare Abgrenzung
Spätestens mit der AÜG-Reform herrscht eine klare Abgrenzung: „Ein Vertrag, der zwar als Werkvertrag gekennzeichnet, aber als Arbeitnehmerüberlassung durchgeführt wird, ist unzulässig. Zeitarbeitsunternehmen und Kunde müssen den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ausdrücklich als solchen kennzeichnen. Das Zeitarbeitsunternehmen und der Kunde müssen außerdem die Arbeitnehmerüberlassung im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (AÜV) ausdrücklich als solche kennzeichnen, bevor sie den Zeitarbeitnehmer überlassen.
Vorher entscheiden
„Dienstleister müssen vorher entscheiden, ob sie einen AÜV oder einen Werkvertrag abschließen. Der Zeitarbeitnehmer muss im AÜV namentlich genannt beziehungsweise konkretisiert werden. Diese Regelung wird den unterschiedlichen Interessen gerecht. Damit werden nicht nur die Zeitarbeitsunternehmen mit ihrem Kerngeschäft Arbeitnehmerüberlassung vor solcherlei Missbrauch der klassischen Zeitarbeit geschützt, sondern auch die Zeitarbeitnehmerschaft kann darauf vertrauen, dass Zeitarbeit drin ist, wo Zeitarbeit draufsteht.
Es ist zu hoffen, dass die teilweise schlechten Zustände in Schlachthöfen mit Augenmaß zum Besseren verändert werden. Die Zeitarbeit ist eine kluge Form der Beschäftigung, Menschen in Arbeit zu bringen. Die Zeitarbeit kann nicht bei jedem Unfug in die Mitverantwortung genommen werden.
So ist es eben immer. Die meisten Probleme können nur mit differenzierten Maßnahmen wirklich gelöst werden.